2009
„Mit 55 Jahren ist lange noch nicht Schluss!“
Gefährliche Gratwanderung
Auftakt mit Stadtpfeifer, „Schnickerli“ und Schäufele
Fasching, Fastnacht, Karneval in der ehemaligen DDR - Bereits über 500 Besucher!
Peter Kuhn hat den Narrenolymp erklommen
Das Tagebuch der Lokalredaktion: Dank Krise Zeit für den Fasching
Schwarze Elf: Jederzeit das rechte Licht
Das Publikum tobt
Schwarze Elf gießt beißenden Spott aus
Gefährliche Gratwanderung
Ausstellung „Fasching, Fastnacht und Karneval in der ehemaligen DDR“ eröffnet
SCHWEINFURT · „Was ist der Unterschied zwischen unserer Republik und unserem Kulturhaus?“ – Die Antwort lautet: „In unserem Kulturhaus sind die Fluchtwege ausgeschildert.“
So deutlich seien Fakten von den Narren in der ehemaligen DDR ausgesprochen worden, erfuhren über 100 Besucher, die zur Eröffnung der Wanderausstellung „Fasching, Fastnacht und Karneval in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ in die Halle des Alten Rathauses gekommen waren. Die vom Deutschen Fastnachtmuseum in Kitzingen kreierte Ausstellung ist in Schweinfurt anlässlich des 55. Geburtstags der Faschingsgesellschaft Schwarzen Elf zu sehen, und zwar bis Sonntag, 30. November, täglich von 10 bis 18 Uhr.
Honorige Gäste drängten sich bei der Eröffnung, neben zahlreichen Stadt- und Kreisräten sowie närrischen Abordnungen aus Schweinfurt und dem Umland auch der Präsident des Fastnachtverbandes Franken, Bernhard Schlereth, sowie der Leiter des Fastnachtmuseums in Kitzingen und Ehrenpräsident der Schwarzen Elf, Hans Driesel.
Ein besonderer Gruß allerdings gelte zwei weiteren Narren, ohne deren Wissen und Mitwirken die Ausstellung nicht möglich gewesen wäre, wie der Gesellschaftspräsident der Schwarzen Elf, Georg Hümpfer, betonte. So danke er dem früheren Leiter des Fastnachtmuseums und Initiator der Ausstellung, Hans-Joachim Schumacher, ebenso wie dem Präsidenten des Wasunger Carneval Club, Martin Krieg. Denn im thüringischen Wasungen pflege man närrisches Treiben bereits seit 1528, und der Verein habe sehr geholfen, Materialien aus Zeiten der DDR zu sichten.
Rund 1400 Fastnachtsgesellschaften habe es im Gebiet der fünf jüngsten Bundesländer gegeben, verdeutlichte Schumacher, wobei die Geschichte dieser Gesellschaften nicht selten über Jahrhunderte zurück reiche. In den 40 Jahren des Sozialismus allerdings sei das Wirken dieser Gesellschaften ein ständiger Spagat gewesen, zwischen dem, was das Publikum unbedingt hören wollte, und dem, was die alles kontrollierende Partei gerade noch erlaubt habe.
Inzwischen seien 19 Jahre vergangen, seit das Volk in der DDR ebenso macht- wie eindrucksvoll den Sturz dieses Regimes eingeleitet und den Weg zur Wiedervereinigung geebnet habe. Und schon sei im Osten eine junge Generation herangewachsen, die nicht einmal mehr wisse, ob die DDR ein demokratischer Staat oder eine Diktatur gewesen sei, sagte Schumacher. Schon erkenne man auch bei der mittleren und älteren Generation zunehmend eine Neigung, zu vergessen.
Erinnerung bewahren
So wolle die Ausstellung helfen, die Erinnerung zu bewahren, denn in 1000 Jahren, seit es überhaupt Karneval gebe, sei dessen Treiben niemals so durchorganisiert und auch gesetzlich reglementiert gewesen wie zu Zeiten der DDR, sagte Schumacher. Nur unter der unverfänglichen Bezeichnung „Club“ habe das für die Obrigkeit äußerst suspekte Narrentreiben stattfinden dürfen, in Clubs, die nicht wie Vereine eigenständig gewesen seien, sondern als „Freizeitabteilungen“ an die volkseigenen Betriebe angeschlossen gewesen seien. Dort habe man sie finanziell unterstützt, aber auch genauestens überwacht, habe Rednern einen Ausweis mit Wertbeurteilung und Vergütungsklasse erteilt.
„Dennoch waren Faschingsveranstaltungen stets überfüllt“, verdeutlichte Schumann, und das Publikum habe von den Rednern erwartet, dass heikle Wahrheiten ausgesprochen werden. Dies sei auch immer geschehen, unter der steten Gefahr für den Redner, eine „Abmahnung“ zu bekommen, was gleichbedeutend mit einem Berufsverbot gewesen sei.
Auf diese Weise hätten sich Redner auffällig oft „missverstanden gefühlt“, es so, wie es bei der Obrigkeit angekommen sei, „überhaupt nicht gemeint“ oder aber vollkommen doppeldeutig gesprochen, wodurch man sich immer auf die harmlose Bedeutung habe berufen können. Ständig, erklärte Schumacher, seien auf diese Weise die Grenzen des närrischen Umtriebs ausgetestet und möglichst auch ausgedehnt worden, und manches Mal hätten Redner dabei auch im stillen Einvernehmen mit der Obrigkeit gestanden.
Die Stadtpfeifer der Schwarzen Elf und die Renaissance-Tanzgruppe „Scaramouche“ umrahmten mit ihren Darbietungen die Eröffnungsveranstaltung, zu der auch die Oberbürgermeisterin und Ehrensenatorin der Schwarzen Elf, Gudrun Grieser, ein Grußwort sprach. Sie bezeichnete es als wohltuend, etwas über die „Gratwanderung“ damals zu erfahren, gerade, weil man sich in unserer Gesellschaft mit oft sehr weit gehender „Narrenfreiheit“ daran gewöhnt habe, eine „richtige Schleudergosch'n“ haben zu dürfen.
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Quelle: Volkszeitung Schweinfurt