Weit über 200 Aktive auf der Bühne und hinter den Kulissen sorgen für fünf Stunden Schwarze-Elf-Power. 30 aufgeregte junge Stadtpfeifer zum Auftakt. Ein Augenschmaus die zauberhaften Puppen der Kindertanzgruppe mit ihrer Interpretation der "Barbie World". Die Wirbelwinde der "Dancefloor Destruction" sorgen einmal mehr für einen grandiosen Kontrast. Teens und Twens sind auch bei der über 50 Köpfe zählenden Turn- und Tanzgruppe in der Überzahl. Statt unbeweglicher Mast- bilden sportlich trainierte Moorhühner das erfreulich jugendliche Männerballett.


Und selbst hinter den Kulissen packen überwiegend junge Hände kräftig mit an. Um die Zukunft muss sich die Schwarze Elf also nicht sorgen, die am Wochenende vor jeweils 600 Besuchern die ersten beiden von weiteren sieben - ausverkauften - Prunksitzungen auf eine "gigakrass & megacracy" geschmückte Bühne zauberte.

Bayerns IG-Metallchef Werner Neugebauer, selbst einmal Mitglied in der Turngruppe, war von so viel Jugend - auch im Saal - begeistert und drückte das auch aus. Dass es der Schwarzen Elf seit Jahrzehnten gelinge, "immer wieder junge Menschen auf die Bühne zu bringen", bewertete er gar als Phänomen. Als Ehrengast hatten der an diesem Abend ausgesprochen schlagfertige schwarze Sitzungspräsidenten Ludwig Paul jr. den Roten "da unten nach oben" gebeten.

In der Rhetorikabteilung fehlen die neuen Gesichter, setzt die Schwarze Elf auf ihre bewährten Kräfte, auf die sie sich freilich verlassen kann. Aber: Einzig Adi Schön wagt sich an das Lokale, was gerade für eine Schweinfurter Karnevalsgesellschaft mit überwiegend Heimspielen nicht ganz einleuchtet.

Grandios setzt Schön - fast logisch als Museumswärter und ohne auf einem Auge blind zu sein - einen Nadelstich nach dem anderen. Der Standort Geheegberg für das Hallenbad sei ein Coup der OB, unterstellt Schön. Weil ihr Haus ja nur 100 Meter entfernt sei, könne sie das neue Bad bestens als Swimmingpool nutzen. Und auch die Erhöhung der Buspreise bringt Schön mit diesem Projekt in Verbindung: Weil peripher gelegen, müssten die Schweinfurter, um hinzukommen, teuer Bus fahren. BMW, Hiendl, das "Betragen" des Landrates oder die Affären ("Du musst den Knippel durch die Lasche ziehen"), Schön lässt nichts aus, ist aktuell und rät den alten Postenklebern im Stadtrat, es der Schwarzen Elf gleich zu tun und der Jugend Platz zu machen.

Wie viel Mühe und Arbeit hinter einer solcher Performance stecken, lässt sich nur erahnen. Allein die liebevoll gefertigten Kostüme dürfte die tapferen Schneiderlein viele, viele Stunden Freizeit gekostet haben. Beispielsweise die über 50 Aktiven der Tanzgruppe boten bei ihren "Variationen verschiedener Durstlöscher" eine unglaubliche und farbenfrohe Vielfalt, ganz zu schweigen von der guten Idee und der Darbietung.

Mit ihrer ungewöhnlichen Nummer und Choreographie setzen sich die Turner um Michael Kitz heuer ein Denkmal. Wer kennt es nicht, das Poster der Bauarbeiter, die sich auf einem Eisenträger hoch über der Skyline von New York zur Brotzeit zusammengefunden haben. Diese "Skywalker-Geschichte" spielen, turnen die Sportler fantastisch. Ihre Pyramiden reichen auf der engen Bühne bis unter die ersten Scheinwerfer an der Stadthallendecke, der Jubel des Publikums ist gerechter Lohn für die Akrobatik.

BSE war beherrschendes Thema, kam in fast allen Wortbeiträgen vor, was auch angesichts der Sorgen der Menschen und öffentlichen Diskussion der letzten Tage richtig ist, nicht verwundert. Fasching ist auch dazu da, die Finger ganz tief in die (von der Politik zu verantworteten) Wunden zu legen. "Ein Glück nur, dass auf die Schnäuz fällt, wer dem Kunden so ins Kreuz fällt", kommentierte Peter Kuhn die Rücktritte der Berliner Minister Fischer und Funke, hintergründig versteckt er den Hinweis auf die folgenschwere Krankheit. Aber auch das mangelnde Unrechtsgefühl der Verantwortlichen in Bayern schonte der Mime nicht ("Stamm-Halter Stoiber"), der heuer in die dem Wort-Akrobaten sicher nicht auf den Leib geschnittene Rolle eines Punkers mit rot-grüner Perücke geschlüpft war.

BSE ("Barbara Stamm Erreger") auch Thema bei einem deutlich verbesserten Helmut Backhaus alias Paparazzo Luigi Minolta. Wie Kuhn wagt sich auch Backhaus deftig an das Thema Neonazis heran. Beide verurteilen damit die Übergriffe und gesteigerte Präsenz rechtsradikaler Kreise.

Aus dem Leben gegriffen sind die Beiträge von Fabian Wahler, Manfred Stark, Doris Paul sowie "Erna und Sepp" alias Thomas Spath und Doris Bretscher. "Zivi" Wahler, einer aus der jungen Riege, lehrt dem Publikum - getreu dem Motto - die Jugendsprache. Stark bringt als früh pensionierten Hausmann - im immer gleichem Tonfall - deftig Fränkisches gebündelt zum Besten. Doris Paul berichtet mit viel Witz von ihren Erfahrungen als gestreßte Haus- und Ehefrau. Und auch Erna und Sepp lassen bei ihrer Weihnachtsnummer kein Ehe-Klischee aus, eine reine Blödelnummer, allerdings gekonnt rübergebracht.

Den "jammernden" Zahnärzten schauen und hauen die Eintagsfliegen aufs Maul. Der Tom-Jones-Hit Sex-Bomb wird bei der singenden Familie Paul erfolgreich in "Zahn-Plomp" umgewandelt. Am Ende die Faschingsmuffel, heuer als Polizisten. Das Lied über Schneemann Christoph Daum, die Idee, die "Beamten" auf Bobby-Cars zu setzen und im Publikum zu fahnden, dazu die mit vielen Kalauern gespickten Texte von Peter Kuhn. Ein zurecht umjubelter 40-Minuten-Schlußpunkt, der aber in einer etwas kürzeren Fassung nichts verlöre.

Das stimmungsvolle Finale wieder mit den Guggamusikern, den Sonnyboys vom Baggersee.

© HH
© Fotos Ruppert
Quelle: "Schweinfurter Tagblatt" vom 22.01.2001

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