Totengedenken 2020

Wieder einmal sind wir da, hier auf dem Friedhof in Oberwerrn, hier in der Frische des Morgens, hier in der winterlichen Tristesse. Die Musik, die Lieder des letzten Abends noch im Kopf, die letzten Gespräche des vorherigen Abends bestimmen noch unser Gemüt, die Worte des letzten „Auf Wiedersehens“ hallen noch im Ohr.

Wie selbstverständlich gehen wir davon aus, dass wir uns wiedersehen, wenn wir uns bis zur nächsten Sitzung verabschieden, wenn wir irgendwann diese Kampagne beschließen und auf die Folgende zugehen.
Doch auch im letzten Jahr durften wir erfahren, wurde es uns unmissverständlich klar gemacht, dass letztlich nichts selbstverständlich ist. Manfred Stark, den wir alle noch guter Dinge in der letzten Saison erlebten, hat uns verlassen, genauso wie Giesela Mack.

Alles ist endlich das sollten wir uns bewusst machen. Das soll uns nicht lähmen nicht verängstigen, aber es ist gut, wenn es uns bewusst ist.
Alles Irdische wird vergehen, nirgendwohin werden wir auch nur einen winzigsten Teil dessen, was wir angesammelt haben mitnehmen, nirgendwo wird einem dies bewusster als auf einem Friedhof, deshalb ist dieser Ort hier so gut gewählt.

Wenn wir höchste fastnachtliche Ehrenzeichen auf dem Flohmarkt finden, wenn in feierlichster Umgebung überreichten öffentlichen Verdienstmedaillen am Wertstoffhof nicht einmal mehr der Schrottwert zuerkannt wird, sollte uns dies nachdenklich stimmen.
Aber was ist dann wichtig? Es sind die Momente des guten Zusammenseins, die Gespräche, die Begegnungen, die Freundschaften, die Unterstützungen, die gemeinsamen Erlebnisse der Freude, des Spaßes, der Traurigkeit, der Trauer, des Aufgewühlt-Seins der Anspannung wie des Ärgers, es sind die Momente des Lebens, die uns das wahrhaft Menschliche spüren lassen. Es sind die Kontakte und Berührungspunkte unserer Seelen, wenn sich Seelen berühren, schwingen im Gleichklang, dann sind das die Momente, die es zu sammeln gilt.

Wenn es Seelenverwandtschaft gibt, gibt es vielleicht auch Seelenfreundschaft? Ich bin davon überzeugt und wenn es Seelenfreundschaft gibt, dann sollten wir diese auch pflegen. Nichts anderes tun wir hier, indem wir uns alljährlich treffen. Dies ist kein Personenkult, kein Totenkult und kein Festhalten an ewig Gestrigem. Was wir mit unserem Totengedenken machen ist Seelenkontakt halten mit denen, die wir lieben, mit denen, die wir schätzten, mit denen, die uns am Herzen liegen.

Deshalb sind mir diese Minuten in Oberwernn wichtig, deshalb möchte ich auf diesen oft eisigen Wind im Gesicht, auf diese Momente der Stille, auf dieses Zusammenkommen, auf diese ganz besondere Gemeinschaft an diesem Sonntagmorgen in der Mitte unserer Saison nicht verzichten.

Diese Minuten halten den Seelenkontakt zu denen, die uns vorausgegangen sind, machen diese wie uns zuversichtlich und sie füllen unseren Vorrat an Demut auf, den wir brauchen und der uns gut tut, um diese schöne Zeit im Jahresverlauf zu einem gemeinsamen großen guten Erlebnis für uns alle werden zu lassen. In diesen Gedanken wollen wir Seelenfreundschaft pflegen, unter uns Lebenden und in Seelenverbundenheit mit unseren Verstorbenen und beten gemeinsam:

Vater unser….

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