2004

“Orden

Spaß machen ist eine ernste Sache

Schweinfurt (24.02.2004)Eine wohltuende Verschnaufpause vor dem Faschings-Endspurt hatten sich die Aktiven der "Schwarzen Elf" verordnet: Eine närrische Lesung im Schrotturmkeller war angesagt, bei der der Mainzer Journalist Eric Scherer aus seiner Fastnachtsposse "Narrenblut" las.

Es wurde ein vergnüglicher Abend, nicht ohne Längen. Doch man war unter Freunden, war durch die originelle "Eintrittskarte" Faschingskrapfen und die Dekoration fröhlich eingestimmt und begierig, etwas Insider-Wissen von der Mainzer Fastnacht zu erfahren. Autor Scherer war zehn Jahre als Redakteur für die "Mainzer Rhein-Zeitung" für die Berichterstattung über die tollen Tage zuständig.

Der Roman "Narrenblut" beschreibt zwar auch eine Kriminalgeschichte, doch Scherer beschränkt sich in seiner Lesung hauptsächlich auf jene Kapitel, die von der Besonderheit, den Intrigen, Histörchen, dem Filz der Mainzer Fastnacht erzählen. Seine Sprache wechselt zwischen Ironie, Spott, Sarkasmus, geschickt versöhnlichem nüchternen Journalisten-Deutsch und gewollt lockeren Deftigkeiten: "Wir saufen das schäumende Bier, und wir scheißen dem Wirt auf die Theke". - Horcht, horcht, der Bub nemmt kää Blatt vor de Mund -

Scherer beschreibt ein Gespräch über die mögliche Herkunft der Narrenzahl Elf. Nach einer Lesart entstand sie in jener Zeit, als die Franzosen Mainz besetzt hatten, die Fastnacht verboten und damit in den Untergrund verbannten. Aus den Anfangsbuchstaben der Ideale der französischen Revolution - Egalité - Liberté - Fraternité - formten die Narren Elf. Nach einer anderen Meinung ist die Bedeutung der Elf in der Bibel verwurzelt. Doch vielleicht sollen solche Überlegungen nur die wahre Bedeutung der Fastnacht verschleiern, glaubt der Autor, nämlich dass die ganze Narretei eine einzige Verballhornung der Kirche und ihrer Rituale sei. Etwa Helau statt Halleluja.

Scherer erzählt von einem Franzosen, der als Deutsch sprechender Besatzungssoldat nach dem zweiten Weltkrieg als Spion arbeiten musste: Bei den Sitzungen der Mainzer Fastnacht, um die Büttenreden auf ihre politische Unbedenklichkeit zu überprüfen. Ein allzu provokanter Redner konnte sich der Verhaftung gerade noch entziehen, indem er mit einem Boot auf die andere Rheinseite, zu den Amerikanern, flüchtete.

Weitere Abschnitte beschreiben eine vom Redaktionsteam beurteilte TV-Übertragung von "Mainz, wie es singt und lacht", in denen Scherer den organisierten Frohsinn, die Eitelkeiten, Eifersüchteleien, die sich oft so wichtig nehmenden Funktionäre des Karnevals genüsslich durch den Kakao zieht. Doch solche bissigen Seitenhiebe nehmen die Aktiven der "Schwarzen Elf" an diesem Abend gelassen hin - in Schweinfurt ist ja sowieso alles ganz anders, und überhaupt: Man versteht ja schließlich Spaß.

Manfred Herker
Quelle: Schweinfurter Tagblatt vom 24.02.2004

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